Journalist | Social Media | Digital

WhatsApp kann mit privaten Chat-Fotos werben? Ein Märchen

Bildschirmfoto 2014-05-22 um 22.59.11Am Donnerstag hat ein Artikel zum Thema WhatsApp die Runde gemacht. „Bild verschickt – Recht verschenkt“, schrieb das Handelsblatt mit einem Hinweis auf die Nutzungsbedingungen von WhatsApp: Angeblich steht dort, dass man dem Messenger als Nutzer „alle Rechte seiner Kommunikation“ überträgt.

Mehrere Portale (hier, hier und hier) haben den Artikel aufgegriffen und relativ unkommentiert zitiert.

Was mich stutzig gemacht hat: Im Handelsblatt-Artikel bleibt nebulös, was mit „alle Rechte seiner Kommunikation“ gemeint ist. Bei der Überschrift könnte ich denken: Wenn ich ein Bild per WhatsApp verschicke, kann der Dienst damit machen was er will. So zugespitzt haben es andere Portale auch dargestellt – genau das ist aber ganz offenbar Unfug.

Der Artikel zieht seine Schlüsse aus der Passage der Nutzungsbedingungen, die sich auf die so genannten „User Status Submissions“ bezieht.

Die Nutzungsbedingungen von WhatsApp gibt es nur auf Englisch, was bei über 30 Millionen Nutzern in Deutschland tatsächlich eine ziemliche Schweinerei ist. Punkt 5 A der Bedingungen beschäftigt sich mit den „User Status Submissions“. Dort heißt es:

The WhatsApp Service allows WhatsApp users to submit status text, profile photos and other communications submitted by you, as well as the automatic submission of your “last seen” status (collectively, the „Status Submissions“).

Unter diesem Sammelbegriff geht es also um den eigenen Status (Beispiele: „am lernen“, „beim Sport“, „verfügbar“), das Profil-Foto, „andere Mitteilungen“ (diesen Begriff finde ich auch sehr nebulös) und den „zuletzt online“ Status.

Einige Sätze weiter wird zwischen den quasi öffentlichen „Status Submissions“ (man braucht nur die Handynummer des Nutzers, um sie sehen zu können) und Direktnachrichten, sowie Gruppenchats unterschieden:

For clarity, direct messages, location data and photos or files that you send directly to other WhatsApp users will only be viewable by those WhatsApp user(s) or group(s) you directly send such information; but Status Submissions may be globally viewed by WhatsApp users that have your mobile phone number on their smartphone, unless the user is blocked by you.

Direktnachrichten und Gruppenchats gehören laut dieser Aussage also nicht zu den Status-Updates, was auch logisch ist. In den AGB wird anschließend nochmal darauf hingewiesen, dass der definierte Status quasi öffentlich ist und man dort keine Status-Nachrichten oder Profilfotos einstellen sollte, die man besser für sich behalten möchte:

Status Submissions among users that have your mobile phone number – you acknowledge and agree that any Status Submissions may be globally viewed by users that have your mobile phone number, so don’t submit or post status messages or profile photos that you don’t want to be seen globally.

In Punkt 5 B kommt nun die Passage, auf die sich die Artikel beziehen:

To be clear: you retain all of your ownership rights in your Status Submissions, but you have to have the rights in the first place. However, by submitting the Status Submissions to WhatsApp, you hereby grant WhatsApp a worldwide, non-exclusive, royalty-free, sublicenseable and transferable license to use, reproduce, distribute, prepare derivative works of, display, and perform the Status Submissions in connection with the WhatsApp Service and WhatsApp’s (and its successor’s) business, including without limitation for promoting and redistributing part or all of the WhatsApp Service (and derivative works thereof) in any media formats and through any media channels.

Die nicht exklusive, kostenfreie Lizenz, die man WhatsApp überträgt, erstreckt sich auf Status-Beiträge, zu denen eben keine Privatnachrichten und Gruppenchats gehören.

Warum man hier keinen Unterschied gemacht hat? Keine Antwort.

Also „Bild verschickt – Rechte verschenkt?“ – genau das ist eben nicht der Fall. Die Bedingungen beziehen sich in diesem Punkt auf Profilbild und einen Status, den die meisten Nutzer äußerst selten oder gar nicht aktualisieren – nicht auf Direktnachrichten und Gruppenchats. Ein riesiger Unterschied!

Was mit versendeten Nachrichten passiert, steht etwas weiter unten unter dem Punkt „The Information WhatsApp Does Not Collect“. Demnach werden übertragende Nachrichten „normalerweise“ nicht kopiert oder archiviert:

The contents of messages that have been delivered by the WhatsApp Service are not copied, kept or archived by WhatsApp in the normal course of business.

Ich habe dazu auch den auf Medien-, Urheber- und Wirtschaftsrecht spezialisierten Rechtsanwalt Tim Hoesmann gefragt. Er hat mir folgendes zu dem Thema gesagt:

„WhatsApp braucht Rechte, um Daten zu übertragen. Bezogen auf die Profilbilder heißt das: WhatsApp muss das Recht haben, diese Bilder anzeigen zu dürfen.

Aus Punkt 5 B der Nutzungsbedingungen geht hervor, dass der Dienst die Profilbilder der Nutzer in Verbindung mit WhatsApp nutzen darf. Das alles gilt ausschließlich für den Status. Es ist falsch, aus Punkt 5 der Nutzungsbedingungen abzuleiten, dass dies auch für versendete Bilder in Privatnachrichten und Gruppenchats gilt.

Aufgrund seines Geschäftsmodells hat WhatsApp zudem kein Interesse, in Privat-Chats versendete Bilder zu nutzen.“

Ich finde es wichtig, WhatsApp kritisch zu begleiten und verschicke selbst keine sensiblen Daten über den Messenger. Die Marktmacht von Facebook, Instagram und WhatsApp ist mir unheimlich. Und natürlich sollte man sich auch überlegen, an wen man welche Fotos per WhatsApp sendet. Die Aussage des Handelsblatt-Artikels ist aber schlichtweg irreführend. Es wird ein komplett falscher Kontext hergestellt. Noch verstörender finde ich, dass andere Portale die Aussagen so abschreiben, ohne offenbar einen kritischen Blick in die zwei (!) Absätze der Nutzungsbedingungen geworfen zu haben.

Tenor: Hauptsache das Internet ist böse!

Es geht mir nicht darum, mit dem Finger auf andere zu zeigen, ich mache auch Fehler. In diesem Fall werden hier aber einfach massenhaft Dinge verbreitet, die so offenbar gar nicht stimmen, aber bei Facebook und Twitter extrem häufig geteilt und verbreitet werden. Tenor: Hauptsache das Internet ist böse!

Wie vor einiger Zeit schon einmal diskutiert, haben auch Instagram und Facebook entsprechende Passagen in ihren Nutzungsbedingungen stehen, die Diskussion hierzu ist nicht ganz neu. Die Kollegen von Allfacebook machen in diesem Zusammenhang ebenfalls darauf aufmerksam, dass „Dienste wie WhatsApp, Instagram, Facebook, Dropbox, Google+, Flickr, usw.“ Nutzungsrechte für die Inhalte brauchen, um den Dienst überhaupt betreiben zu können.

Ich habe auch noch einmal im Archiv geschaut und dazu einen Artikel vom 21.01.2013 gefunden, den ich zum Thema AGB bei sozialen Netzwerken verfasst habe. Zu WhatsApp heißt es hier unter anderem:

„WhatsApp erhält eine nicht exklusive, kostenfreie Lizenz und darf die Status-Einträge – nicht die Privatnachrichten – nutzen und auch mit ihnen werben. („5. User Status Submissions“)“

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

26 Gedanken zu “WhatsApp kann mit privaten Chat-Fotos werben? Ein Märchen”