Jeder akzeptiert sie, kaum jemand liest sie: Die Nutzungsregeln von sozialen Netzwerken sind für normale Nutzer ziemlich undurchsichtig. Für Bild.de habe ich mit mehreren Experten über die AGB-Problematik gesprochen. Unter anderem hat Medienanwalt Tim Hoesmann erklärt, was einige Passagen in den AGB von Facebook, Twitter, Instagram, WhatsApp und Xing konkret bedeuten. Artikel
Der Internet-Experte und Publizist Christoph Kappes sieht in vielen Nutzungsbedinungen eine „monströse Fehlentwicklung“, plädiert in einigen Punkten jedoch auch für einen differenzierten Umgang. Als möglichen Lösungsvorschlag für mehr Transparenz bringt er eine AGB-Ampel ins Spiel, nach denen Nutzungsregeln weltweit kategorisiert werden könnten.
Das ganze Gespräch mit ihm darf ich mit seiner freundlichen Genehmigung nachfolgend hier veröffentlichen.
Warum muss ich mich als „normaler“ Nutzer trotz der Berichterstattung über AGB bei sozialen Netzwerken trotzdem nicht gleich abmelden?
Christoph Kappes: Erstens weil ich selbst immer entscheiden kann, welche Inhalte ich dort anbringe und wie weit ich gehe, das ist keine Schwarz-Weiss-Entscheidung. Zweitens: wenn es um die Verwertung von Fotos und Daten geht, ist das auch eine theoretielastige Diskussion, die von Juristen getrieben wird, die damit ihr Brot verdienen; Facebook hat viele Milliarden Fotos und die Problemfälle können Sie an zwei Händen abzählen. Drittens: Die Unternehmen brauchen die Nutzer, damit sie Werbung verkaufen können. Sie sehen das bei Instagram, die haben sofort reagiert.
Obwohl Anbieter wie Twitter und Instagram sagen, dass die Inhalte den Nutzern gehören, betonen Verbraucherschützer, dass alleine die Möglichkeit der Werbung in den AGB zu weit gehen würde. Sind sie anderer Meinung und wenn ja, warum?
Christoph Kappes: Ich bestreite ja, dass diese Leute die Klauseln wirklich verstanden haben. Wenn es um Fotos allgemein geht, dann werden die nur auf Software-Diensten gezeigt, und das erwarten auch die User. Wenn es um Werbung geht, dann geht es momentan um das Anzeigen eines „Gefällt-Mir“ mit Foto auf Facebook, mehr nicht.
Es ist richtig, dass die AGB bei vielen Diensten sehr schwammig formuliert sind und zum Teil auch zu weit gehen. Man muss jedoch immer sehen, dass Facebook auf die Nutzer angewiesen ist. Das Netzwerk kann es sich deshalb nicht leisten, Inhalte massenhaft an Dritte zu verkaufen. Das verstehen die meisten nicht.
Der Deal derzeit ist: ich bekomme den Dienst kostenlos, dafür wird mein Foto begrenzt und nach meiner Entscheidung verwendet. Ich finde da nichts unmoralisch, die Leute sehen ja, was passiert. Ich drücke solche Produkt-Schaltflächen gar nicht mehr, weil mir es peinlich ist, wenn ich als Werbeträger benutzt werde.
Gibt es Punkte, in denen Sie die Kritik an den ABG von sozialen Netzwerken für übertrieben halten? Wenn ja, haben Sie einige Beispiele?
Christoph Kappes: Ich habe am Beispiel Twitpic darüber gebloggt und z.B. Spiegel Online kritisiert. Da ging es primär um Lizenzen für deren Partner, und wie man aktuell an der Diskussion um Bilder auf Facebook wieder sieht, geht es gar nicht anders: ein Dienst muss anderen Diensten Rechte erteilen, sonst handeln die Nutzer sogar rechtswidrig. Dass sie ein Bild von Twitpic auf Facebook laden dürfen, ist das Ergebnis dieser AGB damals. Ihre Fehlinterpretationen korrigiert die Presse dann aber nicht mehr, weil die Sau schon aus dem Dorf wieder herausgelaufen ist.
Man muss jedoch auch klar sagen: Einige Dienste gehen sehr weit mit der Möglichkeit, gesponserte Postings oder Anzeigen mit Köpfen von Netzwerk-Mitgliedern zu zeigen.
Offenbar ist bei Nutzern das Bewusstsein über AGB durchaus vorhanden. Ein Facebook-Hoax im November über die ABG wurde tausendfach geteilt. An der offiziellen Abstimmung über die Beteiligung zu den Nutzungsbedinungen nahmen bei Facebook allerdings nur wenige Nutzer teil.
Wie erklären Sie sich das? Inwiefern mangelt es den Nutzern in den sozialen Netzwerken aus ihrer Sicht an Medienkompetenz?
Christoph Kappes: Von solchen Abstimmungen halte ich nichts, weil kein normaler Mensch diese Rechtsfragen versteht. Das sieht man auch daran, dass alle den Widerspruch einfach nur gepostet haben, das ist rechtlich nicht wirksam. Und ich halte davon nichts, weil niemals Quoten zu Ungunsten von Facebook entstehen, weil Facebook schon die Funktion systematisch versteckt und die Abstimmungsgrenze willkürlich wählt. Ich sehe darin auch eine Anmaßung gegenüber den Gesetzgebern. Facebook spricht in diesem Fall von einem Abstimmung. Tatsächlich aber wäre hier niemals etwas zu Ungunsten des Netzwerkes entschieden worden.
Wie könnte man die AGB für Nutzer transparenter gestalter?
Christoph Kappes: Die AGB müssten international standardisiert werden, wie eine Art Ampelsystem. Dabei würde es drei oder vier Nutzungsklassen geben, je nachdem, wie intensiv ein Dienst die Daten der User nutzt. Die Bedingungen würden ein Genehmigungsverfahren durchlaufen. So hätte auch der Nutzer als Laie die Gewissheit, dass ein unabhängiger Experte die Bedingungen klassifiziert hat.
Natürlich ist es völlig weltfremd, dass ein iPhone-Nutzer 68 Seiten AGB auf dem Iphone liest, versteht und vergleicht. Online-AGB sind eine monströse Fehlentwicklung für die Nutzer.
Ein Gedanke zu “„Monströse Fehlentwicklung“ – Gespräch mit Netz-Experte Christoph Kappes über AGB in sozialen Netzwerken”