Auf der Facebook Entwicklerkonferenz F8 in San José gab es einen Vortrag zu einem der wichtigsten Themen für Journalisten und Social-Manager: Adam Mosseri, Vice President of Product for News Feed, hat erklärt, auf Basis welcher Signale Facebook entscheidet, wie sich Inhalte verbreiten – oder auch nicht.
Wie der Newsfeed funktioniert, ist aus mehreren Perspektiven relevant:
1. Facebook muss abschätzen können, welche Geschichten für den jeweiligen Nutzer relevant sind. Das entscheidet, wie attraktiv die Nutzer Facebook finden, wie viel Zeit sie also auf der Plattform verbringen.
2. Jedes Unternehmen sollte wissen, was hinter den Mechanismen von Sichtbarkeit bei Facebook steckt – und wie man sie nutzt.
Die Ausgangslage für Facebook ist: Es gibt extrem viele Inhalte, doch nicht alle sind für jeden Nutzer relevant. Der Algorithmus entscheidet, was wem angezeigt wird.
Adam Mosseri hat in seinem Vortrag den Newsfeed mit einer Essensbestellung verglichen und in vier Punkten erklärt, wie der Algorithmus funktioniert.
1. Check what’s on the menu. (Stichwort: Inventory)
Was Facebook meint: Wie viele Geschichten wurden insgesamt von den Freunden und abonnierten Publishern gepostet?
Das bedeutet: Wie groß ist das Angebot zu welchem Zeitpunkt? 1. Haben Nutzer viele Freunde und Seiten geliked, ist es entsprechend schwieriger, sichtbar zu sein. Hat die Person nur eine Seite geliked, ist die Wahrscheinlichkeit höher. 2. Auch die Zeit spielt eine Rolle: Posten in diesem Zeitraum viele Freunde und Seiten? Oder wenige?
Klar ist: Genau hier wird die Konkurrenz immer größer, denn es gibt immer mehr Inhalte auf Facebook. Die Notwendigkeit, relevante Inhalte zu machen, steigt jeden Tag.
2. Is it lunch time or dinner time? (Stichwort: Signals)
Was Facebook meint: Who posted this story?
Das bedeutet: Der Absender ist wichtig. Habe ich mit Seiten oder Freunden in der Vergangenheit viel interagiert, ist die Wahrscheinlichkeit höher, ihre Beiträge angezeigt zu bekommen.
Für Publisher heißt das auch: Eine Seite, auf deren Inhalte nur wenige Leute reagieren, hat es schwerer, überhaupt sichtbar zu sein, weil Facebook sich das merkt. Mit unpassenden Inhalten („Mach das doch mal ausnahmsweise“) schadet sich eine Seite womöglich selbst.
3. Would she enjoy the salmon? (Stichwort: Predictions)
Was Facebook meint: How likely are you to comment on this story?
Das bedeutet: Die Erwartung aufgrund von bisherigen Erfahrungen. Hier kann Facebook all das hinzuziehen, was die Nutzer an Spuren bei Facebook hinterlassen. Eine Geschichte über Borussia Dortmund wird eher Leuten angezeigt, die gleichzeitig die Seite des BVB geliked haben – und wenn sie in der Vergangenheit auch schon auf solche Geschichten reagiert haben.
Es macht für mich als Publisher also Sinn zu prüfen, was die Interessen meiner Fans sind.
4. Make an order
Was Facebook meint: Relevance score.
Das bedeutet: Aus diesen und weiteren Faktoren wird ein Score errechnet, der bestimmt, wie weit oben ein Posting im Newsfeed angezeigt wird. Der Newsfeed ist nicht chronologisch geordnet. Je höher der Score, desto weiter oben steht der Beitrag. Das heißt übrigens nicht, dass andere Postings gar nicht angezeigt werden: Theoretisch kann der Nutzer weiter und weiter nach unten scrollen. Wenn er das lange genug macht, kommt er auch zu Postings mit dem niedrigsten Relevance Score.
In diesem Bereich fließt eine Reihe von weiteren Fragen mit ein:
Wenn der Beitrag veröffentlicht wurde, gibt es ebenfalls eine Reihe von Faktoren, die die Sichtbarkeit bestimmen:
Und auch das ist noch nicht alles. Im Newsfeed Blog teilt Facebook regelmäßig mit, welche Veränderungen es im Newsfeed gibt, etwa in der Gewichtung von Formaten (Videos versus Links) oder welche Absender bevorzugt angezeigt werden (Freunde versus Marken).
Die Antwort, was das nun für Journalisten und Publisher bedeutet, ist einfach und kompliziert zugleich. Die einfache Antwort lautet:
Macht Geschichten, für die sich die Fans eurer Seite interessieren.
Was sich daraus für Journalisten ergibt: Ihre Aufgabe ist es, herauszufinden, welche Geschichten das sind.
Heißt: Wer ist meine Zielgruppe? Wie sieht sie meine Inhalte? Was interessiert sie eigentlich? Und in welchem Format? Wie spreche ich sie an? Worauf reagieren meine Nutzer? Nur sechs von unzähligen Fragen, die sich Marken stellen müssen, wenn sie Menschen auf Facebook erreichen wollen.
Was sich daraus auch ergibt: Ich kann meinen Facebook-Followern keine Inhalte vorsetzen, für die sie sich nicht interessieren – auch nicht, wenn der Kollege das möchte, oder ein Werbekunde. Das ist eigentlich eine gute Nachricht. Denn ich bin gezwungen, mich mit meinem Leser auseinander zu setzen.
Natürlich wirft diese Funktion aber auch Fragen auf:
1. Treiben Facebook und seine Wahrnehmung der Nutzer unsere Inhalte vor sich her?
2. Ist es nicht unsere journalistische Aufgabe, Themen zu setzen?
Ja, ist es. Und meiner Meinung nach funktioniert beides: Themen setzen UND bei Facebook relevant sein. Dafür muss man sich aber ein bisschen quälen. Aber genau das ist die Ur-Aufgabe von Journalisten: Relevante Inhalte in einer Form zu präsentieren, die der Leser versteht und aus denen er einen Mehrwert zieht.
Wenn es zu viele Quatschvideos bei Facebook gibt, dann ist das auch ein Ergebnis davon, dass Publisher offenbar zu wenig in der Lage sind, Inhalte zu erstellen, die vom Nutzer als interessanter empfunden werden, als Katzen in Rechtecken.
Relevante Informationen zu übersetzen und verständlich zu machen. Genau das ist unser Job auf Facebook. Was wir stattdessen noch immer häufig sehen: Clickbaits und überdrehte Zeilen mit dünnen Geschichten.
Wer Inhalte optimal auf Facebook präsentieren will, der muss zwei Sachen verbinden:
1. Er muss verstehen, wie der Newsfeed funktioniert.
2. Und er muss darauf abgestimmt seine Inhalte journalistisch perfekt präsentieren können .
Die große Herausforderung für Publisher auf Facebook ist deshalb eine zutiefst journalistische:
Relevante Inhalte für die Nutzer in einer der Plattform angemessenen Form zu kreieren, für die auch die Marke steht.
Ein Gedanke zu “Wie der Newsfeed-Chef mit 4 Folien den Facebook-Algorithmus erklärt”
Danke für diesen Artikel>
Jetzt noch zusehen, wie man das „einfach“ in die Wirklichkeit gut umsetzen kann. Wir arbeiten dran.