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Warum wir uns um Metriken auf Plattformen kümmern müssen. Jetzt!

Bild: mkhmarketing.wordpress.com/ (CC BY 3.0)
Bild: mkhmarketing.wordpress.com/ (CC BY 3.0)
Im März 2015 hat Buzzfeed-CEO Jonah Peretti mit diesem Vortrag zum Thema Content Views eine weltweite Diskussion über Erfolgsmetriken im Plattform-Zeitalter angestoßen. Auch ein Jahr später versuchen deutsche Portale mit teils absurden Clickbaits möglichst viel Traffic auf ihre Webseiten zu schaufeln, statt sich Gedanken über Erfolgsmetriken zu machen.

Inhalte verlagern sich nicht nur ins Internet, sie finden auf dem Smartphone statt, dort wiederum auf Plattformen wie Facebook, WhatsApp, Instagram, Twitter. Geschichten leben zunehmend auf Plattformen, dort müssen sie teilbar sein – und Publisher müssen Wege finden, die Inhalte dort zu monetarisieren.

Jede Plattform hat andere Strukturen und andere Mechanismen. Die Art, Geschichten zu erzählen, wandelt sich. Auf Snapchat ist sie anders als bei Facebook. Relevanzkriterien werden neu ausgehandelt. Und mit ihnen auch die Metriken, die Relevanz und Erfolg messbar machen. Ein Prozess, bei dem vermutlich viele schmerzhafte Fehler nötig sind, um überhaupt zu lernen, was wo wichtig ist.

Genau an dieser Stelle wird es aber auch kompliziert. Denn: Die Lage ist unübersichtlich. Wer in die Insights von Facebook schaut, sieht die vielen Werte, die das Netzwerk rund um die eigene Fanseite bereitstellt. Reichweite? Link-Klicks? Shares? Und was ist mit Video Views? Und welchen? Schnell merkt man: Es gibt nicht die eine Metrik, die für alle Plattformen und alle Medien relevant ist.

Daten sind ein Geschenk für Journalisten

Das mag zunächst verwirrend sein, tatsächlich ist es ein Geschenk. Ich glaube jedoch auch: Viele Publisher sind derzeit noch nicht in der Lage, Daten, etwa von Facebook, auszuwerten und in kluge Zusammenhänge zu stellen. Oder haben die dringende Notwendigkeit schlicht noch nicht erkannt. Zu sehr hängen sie an Webseiten-Klicks, zu wenig beachten sie, dass sich die Inhalte auf die Plattformen verschieben.

Bei Buzzfeed gibt es Datenteams, die sich auf genau das spezialisiert haben. In Deutschland jagt man Klicks hinterher – den Takt gibt ein Social-Ranking (10000flies) vor, das ausschließlich soziale Interaktionen von Inhalten zählt, die auf Webseiten stattfinden. Inhalte ohne URL werden schlicht ignoriert.

Das ist absurd!

Während Facebook ein Feature nach dem anderen herausbringt, haben viele Publisher in Deutschland noch nicht verstanden, wie sie sich auf welchen Plattformen überhaupt aufstellen sollen, welche Inhalte wo wichtig sind.

Wenn Publisher verstehen wollen, was Erfolg auf Plattformen überhaupt bedeutet, brauchen sie eine Infrastruktur, um diese Daten systematisch zu nutzen.

Es geht nicht darum, sich als Journalist die Themen von Datenanalysen bestimmen zu lassen und die journalistische Gewichtung an der Bürotür abzugeben. Ich kann Daten für meine tägliche Arbeit allerdings nicht ignorieren. Auch Facebook verbessert seinen Algorithmus für den Newsfeed nicht nur auf der Basis von Zahlen. Ohne ausführliches menschliches Feedback und diese Gewichtung würde die ständige Weiterentwicklung gegen die Wand fahren.

Der Unterschied zwischen Journalismus und Klick-Geschäft

Was passiert, wenn man für Zahlen alle journalistischen Ansprüche abgibt, sieht man bei der deutschen Ausgabe der Huffington Post oder Focus Online: Wer noch eine und noch eine (journalistisch nicht haltbare) Geschichte mit einer Anti-Merkel Zeile herausbringt – nicht aufgrund des journalistischen Anspruches, sondern ausschließlich um Shares abzugreifen – der vergiftet das gesellschaftliche Klima in Deutschland ganz bewusst.

Das Ergebnis: Übergeigte, absurde Clickbaits, die auf eine Währung (Webseiten-Klicks) einzahlen, die an Relevanz verliert. Dass die Marken dafür bewusst in Kauf nehmen, als Bullshitpresse* wahrgenommen zu werden, zeigt die ganze Kurzsichtigkeit.

Das hier soll keine Anklage gegen Clickbaits sein. Sehr wohl aber gegen Bullshit-Clickbaits. Sie binden keine Leser, sie zerstören Vertrauen, sie machen die Marke lächerlich.

Wer dagegen eine starke Geschichte hat, der muss sie auch verkaufen, der soll seinen Leser auch verführen, sie zu lesen. Entscheidend ist, dass ich dem Leser etwas geben kann, dass Zeilen halten, was sie versprechen.

Ich brauche Substanz, gute Recherchen – ich muss Journalismus für Plattformen denken. Aber es muss Journalismus sein, dessen künftige Form offen ist. Hysterische Clickbaits für zusammengegoogelte Geschichten sind sicher keine Lösung.


*Den Namen Bullshitpresse im Zusammenhang mit Clickbaits hat Isabell Prophet in diesem Tweet geprägt:

Martin Giesler hat sich am 22.02. mit dem Thema „Erfolg im Plattform-Zeitalter“ befasst.

Über Content-Views bei Buzzfeed und den Anstieg von Videos-Views direkt bei Facebook: BuzzFeed Tech Blog.

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